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| - UN-Artikel obsolet
«Feindstaaten»-Klausel für Deutschland ist nicht mehr gültig
7.3.2025, 15:18 (CET)
Anfang 2022 griff Russland die Ukraine an. Seither wird darum gerungen, wie weit sich Europa an der Verteidigung beteiligen soll. Deutschland könnte die Militärhilfen unter dem möglichen nächsten Bundeskanzler Friedrich Merz weiter ausbauen. Der CDU-Politiker zeigt sich etwa bezüglich der umstrittenen Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern offener als Noch-Kanzler Olaf Scholz (SPD).
Eine Facebook-Nutzerin behauptet jetzt: «Wenn Merz wirklich Taurus in die Ukraine liefert tritt automatisch die Feindstaatenklausel in Kraft!» Sie bezieht sich dabei auf die Charta der Vereinten Nationen (UN). Bei einer Taurus-Lieferung sehe der Vertrag «eine SOFORTIGE politische und militärische Intervention der angegriffenen Siegermächte» vor. Die Klausel gilt allerdings schon lange nicht mehr und spielt im aktuellen Konflikt keine Rolle.
Bewertung
1994 erklärte die UN-Generalversammlung die «Feindstaaten»-Klausel für obsolet. Eine Taurus-Lieferung hätte darauf keinen Einfluss.
Fakten
Mit Entstehung der Vereinten Nationen trat 1945 auch ihr Gründungsvertrag, die Charta in Kraft. Von «Feindstaaten» ist in drei Artikeln die Rede. Deutschland wird nicht ausdrücklich genannt, aber in Art. 53 Absatz 2 steht: «Der Ausdruck "Feindstaat" in Absatz 1 bezeichnet jeden Staat, der während des Zweiten Weltkriegs Feind eines Unterzeichners dieser Charta war.» Das trifft auf Deutschland (und auch Österreich) zu.
Allerdings haben die UN diese Artikel 1994 in einer Resolution (Download-Link) selbst für «obsolet» erklärt. Laut der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags hatte die Feindstaatenklausel schon keine praktische Relevanz mehr, seit BRD und DDR 1973 den Vereinten Nationen beigetreten waren.
Im verlinkten Posting wird also fälschlicherweise davon ausgegangen, Deutschland sei «noch immer ein Feindstaat für die Siegermächte». Eine mögliche Entsendung der Taurus-Marschflugkörper wird darin als Angriff gewertet. Russland und die USA dürften darauf entsprechend reagieren, Deutschland und Österreich wären «wieder in 1945 angekommen». Doch das stimmt nicht, Deutschland ist weiterhin ein souveräner Staat.
Die Behauptung geht vermutlich zurück auf einen Videoausschnitt aus einer Sendung des rechtsextremen «Compact»-Magazins zur deutschen Bundestagswahl. Darin spricht der ehemalige AfD-Abgeordnete Armin-Paul Hampel über die Feindstaatenklausel. Er weist zwar darauf hin, dass sie als obsolet gilt. Doch dann spekuliert Hampel über eine Rücknahme der Erklärung seitens Russlands oder der USA. Die deutsche Rechtssicht gibt das freilich nicht her.
(Stand: 6.3.2025)
Links
Facebook-Post mit Video (archiviert; Video archiviert)
«Standard»-Artikel zur deutschen Ukrainehilfe (archiviert)
Broschüre der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (archiviert)
Link zur Resolution (Download) (archiviert)
Wissenschaftliche Dienste des Bundestag (archiviert)
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