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| - Historiker prüften Opferzahl
Nachweislich rund 25.000 Tote bei Angriffen auf Dresden 1945
14.2.2025, 15:09 (CET)
Jährlich wird der Bombenangriffe alliierter Truppen auf Dresden in der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945 gedacht. Und jedes Jahr wieder verbreiten sich völlig überhöhte Opferzahlen in den sozialen Medien. Mal ist von mindestens 150.000 Toten die Rede, mal von 250.000 oder 350.000, zuweilen sogar von «mindestens 500.000, wahrscheinlich aber sogar eine[r] Million».
Bewertung
All diese Zahlen sind falsch. Eine unabhängige Kommission aus etwa einem Dutzend Historikern hat bereits im Jahr 2010 nach intensiven Prüfungen herausgefunden: Damals sind nicht mehr als 25.000 Menschen gestorben. Ausgeschlossen ist demnach auch, dass Leichen spurlos verbrannt sind.
Fakten
Zwischen 13. und 15. Februar 1945 werden von britischen und amerikanischen Einheiten rund 4.000 Spreng- und Brandbomben auf Dresden geworfen. Das Stadtzentrum wird nahezu vollständig zerstört. Tausende Menschen sterben - Dresdner, Flüchtlinge, Militärangehörige, Kriegsgefangene oder Zwangsarbeiter.
In ihrem fast 100 Seiten starken Bericht kommt 2010 eine von der Stadt Dresden eingesetzte Historikerkommission nach mehr als fünf Jahren Forschung zu dem Schluss (S. 67): Bei den Angriffen im Februar 1945 «wurden bis zu 25.000 Menschen getötet». Diese Totenzahl entspreche in der Größenordnung den zeitgenössischen Angaben der zuständigen Behörden. Die Experten untersuchten zudem unter anderem Friedhofsunterlagen und werteten mehr als 1.300 Aussagen von Zeitzeugen aus.
Die Kommission bilden damals geschichtswissenschaftliche Vertreter und Vertreterinnen unter anderem des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes der Bundeswehr, des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr in Dresden, des Stadtarchivs Dresden, des Stadtmuseums Dresden und des sächsischen Landesamtes für Archäologie.
Historiker-Kommission: NS-Propaganda bauscht Zahlen auf
Die Kommission hat unter anderem Zahlen in internen Protokollen von örtlicher SS und Polizei untersucht (S. 17), die kurz nach den Angriffen nach Berlin übermittelt wurden. Demnach hat die Dresdner Polizei bis 10. März gut 18.300 getötete Menschen gezählt. Für den Stichtag 31. März wird die Zahl von knapp 22.100 weitergeleitet. In einem dieser Berichte nach Berlin ist festgehalten, dass aufgrund der Erfahrungen und Bergungen mit etwa 25.000 Toten gerechnet wird. Im April 1946 bilanziert das Dresdner Statistikamt genau diese Zahl.
Doch vor Kroegsende wird schnell schon von der deutschen Führung öffentlich eine viel höhere Zahl kolportiert. «Zu diesem Zeitpunkt war bereits eine intensive und erfolgreiche Kampagne der deutschen Auslandspropaganda im Gange, die mit dem Beispiel Dresden den «angelsächsischen Bombenkrieg» als zentrale Anklage gegen die Kriegführung der Alliierten zu positionieren suchte», schreiben die Historiker (S. 19).
Im Laufe der Jahrzehnte wachsen die Angaben ohne stichhaltige Beweise teils auf 500.000 oder auf bis zu mehr als einer Million Opfer an. Vor allem Rechtsextremisten stellen die Luftangriffe auch heute noch als beispiellos hin und versuchen damit, die deutsche Schuld an Weltkrieg und Holocaust zu relativieren.
Die Dresdner Historiker überprüfen damals explizit auch weit höhere Angaben im sechsstelligen Bereich. Sie kommen aber zu dem Schluss (S. 69): Weder aus der Rekonstruktion der Ereignisse noch bei der Prüfung von Dokumenten, Erinnerungen, Statistiken oder militärtechnischen Untersuchungen «können belastbare Argumente für Totenzahlen von 100.000 und mehr festgestellt werden».
Spurloses Verbrennen von Körpern in Dresden nicht möglich
Die Forscher gehen auch der Frage nach, ob angeblich Tausende Menschen in einem Flammeninferno spurlos verbrannt sein könnten (S. 65). Die These aus rechtsextremen Reihen: Daher liege die Zahl der Todesopfer in Wahrheit weit höher. Doch kommen die Historiker nach der Konsultation von Experten unter anderem aus Brandschutz, Rechtsmedizin, Archäologie und Architektur zu dem Schluss, dass das spurlose Verschwinden einer größeren Zahl von Menschen unmöglich gewesen sei.
In einem begleitenden wissenschaftlichen Artikel wird detailgetreu aufgeführt, unter welchen Bedingungen menschliche Körper vollständig verbrennen. Demnach müssen über einen längeren Zeitraum kontinuierlich Temperaturen von mindestens 1.000 Grad Celsius einwirken können. Nach Angaben rechtsmedizinischer Gutachter ist das in Dresden aber nicht der Fall gewesen. Das würde «vor dem Hintergrund der historischen Tatsachen jeglicher naturwissenschaftlich-logischen Überlegung widersprechen», heißt es in der Analyse (S. 161).
(Stand: 14.02.2025)
Links
Abschlussbericht der Historikerkommission über Luftangriffe auf Dresden im Februar 1945 (archiviert)
Thomas Widera: Expertengutachten zu Brandtemperaturen (archiviert)
Facebook-Video mit falscher Toten-Zahl von 150.000 (archiviert)
Facebook-Post mit falscher Toten-Zahl von 250.000 (archiviert)
Facebook-Post mit falscher Toten-Zahl von 350.000 (archiviert)
Artikel mit falscher Toten-Zahl von bis zu einer Million (archiviert)
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