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| - Unterschied zum Unionsantrag
FDP-Gesetzesentwurf benötigte für Mehrheit keine AfD-Stimmen
7.2.2025, 17:29 (CET)
In sozialen Netzwerken werfen Nutzer SPD und Grüne Doppelmoral beim Umgang mit der AfD vor. In einer kursierenden Nachricht wird behauptet, die ehemaligen Ampelfraktionen hätten eine Stunde nachdem sie einen Gesetzesentwurf der Union zur Begrenzung der Migration abgelehnt hatten, «still und leise» ein anderes Gesetz mit den Stimmen der AfD-Fraktion im Bundestag verabschiedet. Inhalt seien Rechtsanwalts- und Betreuervergütungen gewesen. «Wie scheinheilig ist das denn, liebe Abgeordnetenkollegen von SPD und Grünen?!», steht am Ende der Nachricht. Hat Rot-Grün einem Gesetzesentwurf mithilfe der Stimmen der AfD eine Mehrheit verschafft?
Bewertung
Hier fehlt Kontext: Ein im Rechtsausschuss geänderter Gesetzesentwurf der FDP-Fraktion wurde am 31. Januar vom Bundestag angenommen. Dem Gesetz stimmte neben FDP, SPD, Grünen und die Gruppe Die Linke auch die AfD zu. Für die Mehrheitsbildung waren die AfD-Stimmen anders als beim Unionsantrag nicht ausschlaggebend.
Fakten
Die kursierende Nachricht, die auch von CDU-Politikerin Julia Klöckner verbreitet wird, bezieht sich auf eine Entscheidung vom 31. Januar 2025. Der Bundestag hat an diesem Tag einen zuvor von der FDP-Fraktion eingebrachten Gesetzesentwurf in einer vom Rechtsausschuss geänderten Fassung angenommen. Es geht im Kern um neue Vergütungen für Berufsbetreuer und Vormünder.
Der Bundestag folgte damit der Empfehlung des Rechtsausschusses: Dieser hatte sich mit Stimmen von SPD, FDP, Grünen und Die Linke für die Annahme der geänderten Fassung ausgesprochen. Während die Union dagegen stimmte, enthielt sich die AfD im Ausschuss. Im Bundestag stimmten - wie auch schon im Ausschuss - die Fraktionen von SPD, FDP, Grünen sowie die Gruppe Die Linke für den Gesetzesentwurf. Die Union stimmte erneut dagegen, das BSW war nicht anwesend. Das geht aus dem Protokoll hervor. Anders als zuvor im Ausschuss stimmte die AfD dem Vorhaben im Bundestag ebenfalls zu.
Richtig ist also: Die AfD hat wie SPD, FDP, Grüne und Linke für das erwähnte Gesetz gestimmt. Für die Mehrheitsbildung sind die AfD-Stimmen jedoch nicht ausschlaggebend gewesen. In der aktuellen 20. Legislaturperiode hält die SPD 207 Sitze, die FDP 90 Sitze und die Grünen halten 117 Sitze. Zusammen kommen die Ex-Ampel-Fraktionen damit bei vollständiger Anwesenheit zusammen auf 414 Sitze. Das sind rund 56 Prozent der Sitze im Bundestag, der aktuell aus 733 Sitzen besteht. Damit haben SPD, Grüne und FDP bereits eine Mehrheit im Bundestag, ohne auf Stimmen von anderen Parteien angewiesen zu sein.
Der Unterschied zum Fünf-Punkte-Antrag der Union
Um politische Vorhaben oder Gesetzesänderungen zu beschließen, müssen die Parteien und ihre Abgeordneten im Bundestag Mehrheiten bilden. Je nach Abstimmung können verschiedene Mehrheiten notwendig sein. Für die meisten Bundestagsentscheidungen reicht eine einfache Mehrheit aus. Durch das Scheitern der Ampel-Koalition sind nun verschiedene Mehrheitskonstellationen im Bundestag möglich.
So hatte in der Sitzung vom 29. Januar ein Entschließungsantrag der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag eine Mehrheit gefunden. Er enthält fünf Forderungen an die Bundesregierung zu Verschärfungen in der Migrationspolitik. Dieser Antrag, der anders als ein Gesetz rechtlich nicht bindend ist, war mit Stimmen von Union, FDP, AfD und sechs fraktionslosen Abgeordneten angenommen worden. Zuvor war bereits öffentlich bekannt geworden, dass die Fraktionen von SPD und Grünen gegen den Antrag stimmen würden. Das BSW enthielt sich.
In diesem Fall waren die 75 Ja-Stimmen der AfD-Fraktion notwendig, um eine Mehrheit für den Unionsantrag herzustellen. Erstmals hat somit ein Antrag im Bundestag mithilfe der AfD eine knappe Mehrheit bekommen. Merz hatte zuvor angekündigt, auch Ja-Stimmen der AfD in Kauf nehmen zu wollen. Er weist aber den Vorwurf zurück, er reiße damit die «Brandmauer» zur AfD ein. SPD und Grüne sehen in dem Vorgehen trotzdem einen historischen Tabubruch.
Derweil war am 31. Januar, ein paar Stunden bevor der abgeänderte FDP-Gesetzesantrag zu den Vergütungen im Bundestag behandelt wurde, tatsächlich über das «Zustrombegrenzungsgesetz» der Union im Bundestag abgestimmt worden. Das Gesetz fand keine Mehrheit.
(Stand: 6.2.2025)
Links
Bundestag über Entscheidung vom 31. Januar 2025 (archiviert)
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses - Vorabfassung Stand 29. Januar 2025 (archiviert)
Stenografischer Bericht der 211. Sitzung (archiviert)
Sitzverteilung des 20. Deutschen Bundestages (archiviert)
Bundestag über Beschlussfähigkeit und Abstimmungen (archiviert)
bpb über Mehrheiten (archiviert)
Bundeswahlleiterin über Mehrheiten (archiviert)
Über Entschließungsanträge (archiviert)
Ergebnis der Namentlichen Abstimmung (archiviert)
Entschließungsantrag der Fraktion CDU/CSU (archiviert)
Sitzungsverläufe der 209., 210. und 211. Sitzung (archiviert)
«Tagesschau»-Artikel vom 31. Januar 2025 (archiviert)
Post von Julia Klöckner (archiviert)
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