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  • Süd-Thüringen-Bahn stellt Ticketkontrolle bei Migranten nicht generell frei Auf Blogs und in Beiträgen in Sozialen Netzwerken wird behauptet, das Bahnpersonal in Thüringen sei angewiesen worden, Tickets von Migrantinnen und Migranten nicht mehr zu kontrollieren. Eine solche Anweisung hat es laut der Süd-Thüringen-Bahn und dessen Miteigentümer, der Erfurter Bahn, aber nicht gegeben. Wir rekonstruieren, wie es zu der Falschmeldung kam. In Thüringen sei das Bahn-Personal dazu angehalten, aus Angst vor Übergriffen die Tickets von „Fahrgästen mit Migrationshintergrund“ nicht mehr zu prüfen, behauptet die AfD Bundespartei auf X und beruft sich auf einen Artikel der Jungen Freiheit. Das rechtskonservative Magazin titelte am 16. September: „Bahn stellt Mitarbeitern Ticketkontrolle bei Ausländern frei.“ Mehrere Nutzerinnen und Nutzer verbreiteten den Artikel der Jungen Freiheit auf X und Facebook, darunter der ehemalige AfD-Politiker Georg Pazderski, über den CORRECTIV.Faktencheck schon häufig wegen der Verbreitung von Falschinformationen berichtete. Die Behauptung kursiert auch ohne Bezug auf den Artikel der Jungen Freiheit. Der für Desinformation bekannte schweizer Blog Weltwoche sowie der österreichische Exxpress und der AfD-nahe Deutschland Kurier verbreiteten sie. Mehrere Tiktok-Videos – darunter von dem ebenfalls für Desinformation bekannten Alexander Raue alias „Vermietertagebuch“ – erreichten fast eine Millionen Nutzerinnen und Nutzer. „Die Bahn verzichtet auf Ticket-Kontrollen bei Migranten wegen der eskalieren [sic.] Gewalt“, heißt es darin. Die Behauptung kursiert zudem bei Whatsapp, dort baten uns Personen um eine Überprüfung. Unsere Recherche zeigt: Die Aufregung um die angebliche Ungleichbehandlung Zugreisender in Thüringen basiert auf einer Falschinformation. Zitat von Bahnsprecherin wird fälschlich in Zusammenhang mit Migrantinnen und Migranten gestellt Im Artikel der Jungen Freiheit heißt es, die Süd-Thüringen-Bahn (STB) habe es ihren Zugbegleitern freigestellt, „die Tickets von Ausländern“ künftig zu kontrollieren. Es wird auf die Aussage einer Bahnsprecherin gegenüber der Thüringer Allgemeinen verwiesen, laut der Mitarbeitende „in schwierigen Situationen zur Deeskalation selbst entscheiden“, wie sie vorgehen. Das Zitat der Bahnsprecherin wurde jedoch in einen missverständlichen Kontext gesetzt. Die Sprecherin sprach allgemein von „schwierigen Situationen“, ohne auf eine bestimmte Personengruppe einzugehen. Dass es keine spezifische Anweisung für ausländische Fahrgäste gibt, heißt es auch direkt im ersten Satz des Artikels der Thüringer Allgemeinen: „Die Süd-Thüringen-Bahn hat ihre Zugbegleiter nicht angewiesen, Fahrscheine ausländischer Fahrgäste nicht mehr zu kontrollieren.“ Der Artikel und der entsprechende Satz liegen jedoch hinter einer Bezahlschranke. Wer nur den Titel und die Einleitung liest, bekommt tatsächlich fälschlich den Eindruck, dass die ausbleibende Ticketkontrolle allein Asylsuchende betreffen könnte. Auf eine Anfrage antworteten die Junge Freiheit und die AfD-Bundespartei bis zur Veröffentlichung nicht. STB und Erfurter Bahn: Keine Anweisungen, Migrantinnen und Migranten generell nicht zu kontrollieren Hintergrund des Artikels der Thüringer Allgemeinen war der Leserbrief eines Ehepaars, das beobachtet habe, wie in der Regionalbahn von Arnstadt Süd nach Erfurt „nur die Fahrkarten der wenigen deutschen Reisenden“ kontrolliert worden seien. Im Verlauf des Artikels erklärt die Bahnsprecherin der STB, dass die Tickets für gewöhnlich schon im vorherigen Streckenabschnitt kontrolliert werden, wodurch ein falscher Eindruck entstanden sei. Daraus abzuleiten, dass ausländische Fahrgäste auf der Bahnstrecke Erfurt-Suhl-Meiningen grundsätzlich nicht kontrolliert würden, „hält das Bahnunternehmen für vermessen“, heißt es im Artikel. Gegenüber dem ARD Faktenfinder sagte die STB, dass es keine Anweisung für die Mitarbeiter gebe, die Fahrscheine von Fahrgästen mit sichtbarem Migrationshintergrund nicht mehr zu kontrollieren. Fragen von CORRECTIV.Faktencheck an die STB beantwortete Hella Tänzer, Sprecherin der Erfurter Bahn. Das Unternehmen ist Miteigentümer der STB. Auch sie schreibt: „Es gibt keine Anweisungen, dass Reisende mit Migrationshintergrund generell nicht zu kontrollieren sind.“ Und weiter: „Grundsätzlich sind in unseren Zügen alle Fahrgäste gleich zu behandeln und benötigen für die Fahrt ein gültiges Ticket.“ STB-Betriebsrat schrieb Brandbrief im März: „Die Szenen hätten aus einem Bürgerkriegsgebiet stammen können“ Als „schwierige Situationen“, von der die Sprecherin gegenüber der Thüringer Allgemeinen redete, bezeichnete die STB gegenüber dem ARD Faktenfinder solche, „in denen unser Personal verbal oder auch tätlich bedroht wird“. In einem Brandbrief, den der Betriebsrat der STB im März 2024 an den damaligen thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow schickte, ist laut mehrerer Medienberichte von „Gewaltexzessen“ die Rede, die sich vermehrt ereignet hätten. Demnach gingen die Bedrohungen gegen das Bahnpersonal im Frühjahr insbesondere von Bewohnern einer Erstaufnahmeeinrichtung in Suhl aus. Gleichzeitig betonte man, es gehe nicht darum, eine bestimmte Personengruppe vorzuverurteilen. In einer Pressemitteilung im Mai 2024 ordnete die STB weiter ein: Beleidigungen, Pöbeleien und Handgreiflichkeiten würden „bei weitem nicht nur von Personen mit Migrationshintergrund“ verursacht, auch „deutsche Fahrgäste fallen leider sehr oft durch ein hohes Maß an Aggressivität auf“. Eine Zugbegleiterin berichtete gegenüber dem MDR, es seien vielmehr immer die gleichen Personen, die negativ auffallen. Zahlen dazu, wie viele Schwarzfahrer es auf der Strecke gibt und wie hoch der Anteil „Nicht-Deutscher“ ist, erhielt der MDR von der Bundespolizei nicht. Wir haben auch die thüringische Landesregierung zur aktuellen Situation der Ticketkontrolle gefragt. Viktor Heeke, Sprecher der Thüringer Staatskanzlei, erklärte: Ticketkontrollen in „schwierigen Situationen“ aus Gründen der Deeskalation auszulassen, sei für Zugbegleiterinnen und Zugbegleiter allein zu ihrem Schutz eine Option. „Das ist nicht neu und hat sich seit vielen Jahren auch jenseits der Strecke zwischen Erfurt, Meiningen und Suhl zum Beispiel bei Fußballderbys bewährt.“ Mehr Sicherheitspersonal für Süd-Thüringen-Bahn im Einsatz Wegen der Vorfälle gibt es seit April laut der STB erhöhte Sicherheitsmaßnahmen auf der Strecke Erfurt-Suhl-Meiningen: Die thüringische Landesregierung habe Finanzmittel zur Verfügung gestellt, die es ermöglichten, mehr Sicherheitspersonal einzusetzen. Laut der Thüringer Staatskanzlei belaufen sich die für 2024 bereitgestellten Mittel des Landesverkehrsministeriums auf rund 336.000 Euro. Wie die STB in ihrer Pressemitteilung schreibt, würden die Bundes- und Landespolizei ihre Präsenz in den Zügen erhöhen, eine „intensive Aufklärung“ der Personen in der Erstaufnahmeeinrichtung Suhl zur Nutzung des ÖPNV sei vereinbart worden. Auf Nachfrage teilte Hella Tänzer von der Erfurter Bahn mit, dass auch Flyer zur Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs in acht Sprachen in den Zügen sowie in den Kunden- und Servicecentern ausliegen. Ob das zusätzliche Sicherheitspersonal weiterhin eingesetzt wird, soll nach einer Auswertung im Herbst 2024 entschieden werden. Die Lage habe sich deutlich beruhigt, seitdem mehr Sicherheitspersonal eingesetzt werde, so die Sprecherin. Redigatur: Steffen Kutzner, Sophie Timmermann
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